Sonntag, 22. September 2013

KSA#2 - Blick ins Innere einer Jacke

Fertige oder fast fertige Jacke kann ich noch nicht zeigen aber ganz untätig war ich auch nicht. Zuallererst musste ich die noch fehlenden Sachen besorgen: Einlage, Knöpfe, Futter. Ist jetzt erledigt. Dank Lucys Tipps habe ich mich im Schneiderbedarfladen Yavas mit verschiedenen Bügeleinlagen und Formband reichlich eingedeckt. Dort habe ich auch sehr schöne Knöpfe für meine Jacke gefunden.

Das Futter habe ich auch gekauft. Das Gleiche, mit dem der Rock gefüttert ist, konnte ich nicht mehr bekommen und da ich es blöd fand, die Jacke mit einem anderen Blauton zu füttern (ein Kostüm sollte irgendwie ein Ganzes ergeben), habe ich mich für gestreiftes Futter entschieden. Ich denke, das wird gut aussehen.



Als nächstes stand ein Probemodell auf dem Plan. Das mache ich in letzter Zeit fast immer so, wenngleich das Nähen des Probemodells bei mir nicht dem Zweck dient, jede kleinste Falte aufzuspüren und zu bekämpfen. Vielmehr geht es mir um die großen Passformprobleme, deren Korrektur nach dem Zuschnitt nicht mehr möglich wäre. Bei diesem Schnitt gab es aber keine bösen Überraschungen, nur Kleinigkeiten, die auf dem Foto unten rot gekennzeichnet sind. Dann habe ich noch Ärmeln um 1,5cm und die gesamte Jacke um 2cm gekürzt. Die Korrekturen habe ich auf die Schnittteile übertragen und zugeschnitten. Viel Arbeit - die Jacke hat viele Schnittteile und viele Passzeichen - die ich nicht mag und immer froh bin wenn sie erledigt ist.


Das Probemodell ist fertig und auf dem Tisch liegen die zugeschnittenen Jacketeile auch wenn man sie in dem Chaos nicht sofort findet :)

Der nächste Schritt wäre Einlage aufbügeln. Ist noch nicht erledigt, dafür habe ich für euch etwas anderes vorbereitet. Catherine zeigt heute sehr detailliert wie in Kreuzberg genäht wird und ich hab für euch diesmal... die China-Variante. Wir werden jetzt einen kurzen Blick ins Innere eines Made-In-China-Kauf-Jacketts werfen. Ich bin der Meinung, da kann man sich einiges abgucken. So hat angeblich schon Vivienne Westwood gelernt, also kann es uns auch nicht schaden. Leider kann ich keine vollständig geschlachtete Jacke zeigen (dann könnte man alles besser sehen und erkennen). Meine wird nach dem Fotoshooting die kurze Modelkarriere beenden und wieder das wahre Gesicht zeigen :).

Jacke nähen - wo genau Einlage aufbügeln?


Die folgenden Bilder zeigen an welchen Stellen in einem industriell gefertigten Jackett Einlagen aufgebügelt sind. Mann kann auch erkennen, dass in Abhängigkeit von der Stelle auch unterschiedliche Einlagearten verwendet werden. Wenn man die Bilder anklickt, kann man alles noch genauer erkennen.

1. Rückenteil
 
 Im gesamten oberen Bereich des Rückens wird ein etwa 3cm breiter Streifen mit dünner Einlage verstärkt.

Hier noch besser zu erkennen.

Der Kragenausschnitt im Rückenteil und die Schulternaht, auch vom Vorderteil, werden zusätzlich noch mit Formband verstärkt.

Der Schlitz hinten wird mit dünner Einlage verstärkt. Die Einlage ist so aufgebügelt, dass sie über die Umbruchkante reicht (siehe den linken Pfeil). Die gleiche Einlage wird auch entlang vom Saum aufgebügelt und zwar sowohl auf der Saumzugabe als auch ca. 3,5cm breit im unteren Bereich des Rückenteils (siehe den Pfeil rechts im Bild).

2. Seitenteil und Unterärmel
Seitenteil wird komplett mit einer festeren (aber nicht steifen!!!) Einlage verstärkt. Hierfür eignen sich die Gewebeeinlagen sehr gut.

Dieses Foto zeigt das Seitenteil im Bereich des Armausschnitts. Mann kann hier erkennen, dass auch der Unterärmel mit einem Einlagestreifen verstärkt ist. Hier sieht man auch deutlich den Unterschied zwischen der festeren Seitenteileinlage und der dünneren Einlage des Unterärmels. Auf dem Foto ist auch ein Formband zu sehen, das entlang des gesamten Ärmelausschnitts aufgebügelt ist. Das Formband wird erst dann aufgebügelt, wenn das Vorder-, Seiten- und Rückenteil der Jacke schon miteinander vernäht sind.

3. Oberärmel
Auf dem Oberärmel entlang der Armkugel ist ein Streifen der dünnen Einlage aufgebügelt.

Im unteren Ärmelbereich wird die dünne Einlage entlang vom Saum, ähnlich wie im Rückenteil, aufgebügelt.

4. Vorderteil
Das Vorderteil und der Besatz sind vollständig mit der festeren Einlage verstärkt.

Da der Stoff dieser Jacke sehr dünn ist, ist das Vorderteil oben noch zusätzlich verstärkt. Diese Art der Verstärkung wird nicht immer benötigt. Auf dem Foto kann man auch gut den Einlagestreifen entlang der Reversumbruchlinie erkennen.

Auch die vordere Kante des Vorderteils ist mit einem schmalen Vlieselinestreifen gesichert, der aber nur auf der Nahtzugabe aufgebügelt ist.

So, das war es. Und jetzt, bevor es ganz dunkel wird und ich die rechte Stoffseite von der linken nicht mehr unterscheiden kann, werde ich die Einlage(n) in meine Jacke aufbügeln.

Trägst du schon oder bügelst du noch? Hier tummeln sich alle Kostümliebhaberinnen. Es bleibt spannend, in jeder Hinsicht.

14 Kommentare:

  1. Wow, das nenne ich mal einen Einblick. Sehr informativ ist dein Post, da werde ich mir für das nächste Mal einige abschauen. Danke für die Arbeit, die du dir gemacht hast - ich denke, da wird die eine oder andere wie ich ein schönes Aha-Erlebnis haben.
    Liebe Grüße,
    Nastjusha

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  2. Unglaublich was da alles an Einlage drin ist! Ich bin ja auch immer sehr dafür bei Kaufteilen abzugucken, und ich habe es auch schon bei Jacken gennau so gemacht. Vorraussetzung ist natürlich dass die Verarbeitung der Jacke bei der man abguckt von vorneherein überzeugt (wie sieht dein Industrie gefertigtes Jacket denn von rechts aus?)
    Toller Post (ich werde nicht müce das immer wieder zu sagen ;)! Danke für die Arbeit mit den Fotos! Es könnte gut sein, dass ich noch mal wieder gucken komme wenn ich mit meiner Jacke so weit bin.

    Liebe Grüße
    Immmi

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  3. Super, sehr informativ, vielen Dank. Ich hasse Einlagen aufbügeln, das ist für mich wirklich das allerschlimmste (also, natürlich neben dem Einlage zuschneiden). Ganz schön viel Einlage, hätte ich nicht erwartet.

    Auch mich würde ein Foto von rechts interessieren, und ist das eher ein dünnerer Stoff, aus dem die (Konfektions-) Jacke gefertigt ist?

    LG frifris

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  4. Wow , soviel Arbeit für uns gemacht ! Danke ! Ich hab 's der sehr freundlichen Verkäuferin meines Stoffes ja nicht so ganz geglaubt : Dein Post bestätigt genau das , was sie gesagt hat , dass nämlich alle gekauften Jacken bis zur Seitennaht verstärkt sind . Beim nächsten Mal werd ich's also beherzigen .
    LG Dodo

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  5. Die hier gezeigte Jacke ist aus einem dünnen Stoff gefertigt (ich habe sie genommen, weil dort die Einlage weiß und dadurch gut sichtbar ist), aber ich hab mir noch eine deutlich dickere Jacke aus einem Wolltweed von innen angeschaut und sie hatte die Einlage an gleichen Stellen. Einzig der Streifen entlang der vorderen Kante, so wie auf dem letzten Foto, war nicht vorhanden. Auch bei der zweiten Jacke konnte man den Unterschied zwischen der Einlage auf dem Vorder- und Seitenteil und der auf den sonstigen Teilen sehen.

    Ich finde es ist ganz wichtig, dass die verwendete Einlage nicht zu dick und zu steif ist. Es ist kaum merkbarer Unterschied zwischen den Teilen mit und ohne Einlage. Im Handel, wenn man sagt man braucht die Einlage für eine Jacke wird einem meistens eine festere empfohlen. Das ist falsch! Sehr, sehr oft reicht die dünne Gewebevliesline G785.

    Die Jacke (die von den Fotos) sieht von rechts gut aus und liegt auch gut. Vielleicht mache ich noch ein Foto von rechts :)

    Liebe Grüße
    Yvonne

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    1. Noch was. Das Vorderteil der Wolljacke hat nur eine Einlageschicht d.h. ist oben nicht zusätzlich verstärkt.

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    2. Da schreibst du es ja noch mal. Einlagen sind wirklich oft steif, aber es gibt ja diese Gewebeeinlagen, wie du ach schreibst. Die habe ich für das Dirndlmieder genommen. WErde ich demnächst auch einmal für Krägen verwenden, evtl. Da habe ich nämlich einen extrem harten Kragen fabriziert.
      lg monika

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  6. Vielen Dank für diesen strukturierten und erhellenden Post!
    Ich habe mir kürzlich bei einem sehr hochwertigen Herenschneider die Innenverarbeitung von verschiedenen Oberteilen zeigen lassen und war sehr verblüfft, wie viel auch dort inzwischen geklebt und nicht mehr genäht wird. Er verarbeitet viele weiche und leicht fallende italienische Wolltuche, bei denen das unsichtbare Pikieren und Staffieren wohl nicht möglich ist.
    LG, Bele

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  7. Ich habe gar nicht gebügelt. Zumindest nicht bei dem Wollteil. Da hätte ich mich vielleicht gar nicht bewegen können....
    Bei den Knopflöchern, da muß ich aber nocht.
    Hätte ich dies vorher gesehen, hätte ich vielleicht bei meiner Probejacke gebügelt.
    Ich bin sehr beeindruckt, über deine Vorgehensweise. Und auch über das Innenleben einer solchen Jacke. Was mich allerdings eher hindert, eine solche zu nähen. Mit so vielen Bügeleinlagen.
    Ich bin gespannt.
    lg monika

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  8. Vielen Dank!
    Ich bin wirklich schwer beeindruckt, denn wenn ich auch oft las, wo überall Einlage hinkommt, so könnte ich es doch nicht so recht glauben und mir das auch nur schwer vorstellen. Mit den Bildern ist es viel klarer! Und irgendwie ist es auch sehr einleuchtend, dass bei einem Jackett " getrickst" wird, sehen doch Menschen in Jacketts stets proportionierter und perfekter aus. Das ist wirklich sehr lehrreich, danke!

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  9. Danke, das ist wirklich sehr interessant! Ich habe mich schon gefragt, ob ich vielleicht immer zu viel Einlage vewende, weil ja z. B. in den Anleitungen bei Burda oft nur der Beleg und der Kragen verstärkt wird. Ich habs auch so gelernt, dass das Vorderteil komplett Einlage bekommt, und die Säume, und in einem Streifen um Arm- und Halsausschnitte herum, also genau so wie hier. Im Ergebnis fand ich das bisher auch gut, nur fragt man sich ja schon, wenn das in Nähanleitungen so gar nicht auftaucht.
    Diese Erkenntnisse machen das Einlage-Aufbügeln nicht angenehmer, aber ich werde künftig wieder mit Überzeugung bügeln.

    viele Grüße! Constanze

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  10. Wirklich unglaublich, was da alles aufgebügelt ist... das mach ich aber nicht so! Da bekomme ich ja Bügle-Einlage-Phobie!
    Weiterhin gutes Gelingen,
    BuxSen

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  11. Das ist ja mal interessant zu sehen. Vielen Dank für die vielen Fotos.
    Lieber Gruß, Muriel

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  12. Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung und die vielen Fotos! Ich habe gerade gestern versucht, in meinem kleinen Nähbuch Antworten zu dem Thema zu finden - ergebnislos. Nun weiß ich mehr. Für meine ersten zwei Jackets ist es mitlerweile zu spät. Aber für die Zukunft habe ich VIEL dazu gelernt. Vermutlich hängt die Einlage auch stark vom Stil des Jackets ab?
    Viele Grüße,

    Nina

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